In fast allen Gesellschaften haben Frauen eine höhere Lebenserwartung als Männer. Seit Jahrzehnten wird festgestellt, dass Männer weltweit im Durchschnitt früher sterben. Zwar geht die Differenz zwischen Männern und Frauen gerade in den Industrieländern immer weiter zurück, aber selbst im Jahr 2018 war der Unterschied noch deutlich: Hier lag die Lebenserwartung in Deutschland für Männer im Schnitt bei 78,5 Jahren und für Frauen bei 83,3 Jahren. Warum ist das so?
1. Stress.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor dafür, dass Frauen länger leben, ist Stress. Stress erhöht das Risiko für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nicht umsonst sieht die Weltgesundheitsorganisation WHO in Stress eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. Gefährlich ist vor allem der chronische Stress über einen langen Zeitraum und ohne Entspannungszeiten zwischendurch. Vor allem bei Männern führt Stress verstärkt zu gesundheitlichen Risiken: Sie leiden häufiger an stressbedingten Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Einen Herzinfarkt bekommen Männer sogar doppelt so häufig wie Frauen.
Dass sich Stress bei beiden Geschlechtern körperlich unterschiedlich auswirkt, liegt auch am Stresshormon Cortisol. Es wird bei Männern und Frauen unterschiedlich aktiviert und leitet dadurch bei beiden verschiedene körperliche Reaktionen ein. So empfinden Frauen Studien zufolge den Stress zwar als schlimmer, zeigen aber weniger körperliche Reaktionen.
Doch nicht nur die Veranlagung, sondern auch der Umgang mit Stress ist unterschiedlich: Frauen ignorieren den Stress seltener. Sie suchen bewusst den Ausgleich zum Beispiel durch Yoga oder Meditation und wählen bei Job-bedingtem Stress häufiger den Ausstieg oder den Wechsel.
Frauen haben bei einem Herzinfarkt meist nicht die typischen Symptome und ihr Infarkt wird deshalb oft nicht so leicht erkannt. Zum Glück ist trotzdem nicht jeder Herzinfarkt tödlich. Doch Langzeitfolgen wie chronische Herzschwächen können bleiben. Diese können das Leben einschränken und sogar zur Berufsunfähigkeit führen.
2. Alkohol und Zigaretten.
Ungefähr 12 Millionen Menschen in Deutschland sind Raucher (Stand 2018). Das ist eine beträchtliche Zahl. In allen Altersgruppen ist dabei erkennbar, dass Männer mit 27 Prozent häufiger rauchen als Frauen mit 20 Prozent. Das schlägt sich auch in der Lebenserwartung nieder. Denn was viele nicht wissen: Rauchen erhöht nicht nur das Risiko für Krebs und Herzinfarkt, sondern es verringert auch die Stabilität der Knochen und schwächt das Immunsystem. Außerdem ist Rauchen bekannter Maßen der größte Risikofaktor für Lungenkrebs. Die Lebenserwartung von starken Rauchern liegt sogar 10 Jahre unter dem Durchschnitt.
Auch wenn die Zahl der aktiven Raucher seit Jahren glücklicher Weise zurückgeht, sterben auch heute noch etwa 110.000 Menschen jährlich vorzeitig aufgrund von Krankheiten, die durch das Rauchen ausgelöst werden.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Alkohol: Frauen in Europa trinken im Schnitt nur etwa ein Drittel so viel Alkohol wie Männer. Auch das hat Auswirkungen auf die Sterblichkeit: Alkohol wird mit über 200 Krankheiten in Verbindung gebracht. So belastet regelmäßiger Alkoholkonsum nicht nur die Leber, sondern erhöht auch den Blutdruck und das schädigt wiederum das Herz- Kreislauf-System. So kommen Frauen auch durch einen insgesamt gesünderen Lebensstil mit weniger gefährlichen Genussmitteln auf ihre Extra-Jahre.
3. Gesundheitsvorsorge.
„Guten Tag Herr Doktor, ich bin’s wieder.“ Frauen gehen bei Krankheiten früher und häufiger zum Arzt. Auf diese Weise erhöhen sie ihre Chancen dafür, dass Krankheiten rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Das verbessert den Gesundheitszustand im Durchschnitt erheblich und sorgt so besonders bei sehr gefährlichen Krankheiten auch für eine höhere Überlebensrate.
Die Gründe für diesen Unterschied sind vielfältig. Arztpraxen melden mitunter, dass Männer Vorsorgeuntersuchungen häufiger als Frauen absagen oder verschieben. Ob dafür der angegebene Zeitmangel die Ursache ist oder ob auch die Angst vor einer tatsächlichen Diagnose eine Rolle spielt, ist nicht bekannt.
Studien zeigen zudem, dass sich Männer im Durchschnitt gesünder fühlen als Frauen. Sie schätzen ihre eigene Gesundheit meist als grundsätzlich gut bis sehr gut ein und gehen auch bei tatsächlichen Krankheiten oder Verletzungen seltener zum Arzt. Dieser Unterschied relativiert sich erst ab dem 75. Lebensjahr.
Darüber hinaus beschäftigen sich Frauen mehr mit ihrer Gesundheit. Sie geben öfter an, sich für das Thema Gesundheit zu interessieren und nehmen Angebote wie Gesundheitskurse deutlich häufiger wahr.
4. Risikofreude.
Ein weiterer Punkt, mit dem Männer in den Statistiken Lebensjahre verlieren, sind die nicht natürlichen Todesursachen. Dazu zählen zum Beispiel tödliche Unfälle im Straßenverkehr. Frauen gehen im Schnitt weitaus seltener Risiken beim Autofahren ein. Hierbei wird das männliche Hormon Testosteron in Zusammenhang mit einer höheren Risikofreude gebracht. Demnach sorgt Testosteron für eine gesteigerte Impulsivität und führt dadurch im Straßenverkehr häufiger zu Selbstüberschätzung.
Auf diese Weise verlieren Männer etwa doppelt so oft ihr Leben bei Verkehrsunfällen wie Frauen. Zahlen des statistischen Bundesamtes zeigen sogar, dass Männer häufiger die Hauptschuld an Verkehrsunfällen tragen. Demgegenüber steht bei Frauen eine größere Bereitschaft zu defensiverem und vorsichtigem Fahren.
Die Aussagen sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten: Zwar sind Männer häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt und es gibt demzufolge auch mehr männliche Verletzte. Wenn ein Unfall passiert, ist das Verletzungs- und Sterberisiko für Frauen allerdings deutlich höher als für Männer: Das Risiko, im gleichen Unfall eine schwere Verletzung zu erleiden, ist bei Frauen um 47 % höher als bei Männern.
5. Genetik.
Die Lebensumstände und der Lebensstil beeinflussen entscheidend unsere Lebenserwartung. Allerdings haben Frauen auch Vorteile durch die Gene. Konkret ist dabei das doppelt vorhandene X-Chromosom (das Geschlechtschromosom) gemeint. Es soll durch sein doppeltes Vorhandensein den entscheidenden Schutz vor Krankheiten bieten: Wird eines der beiden Chromosomen krankhaft verändert, bleibt noch das andere, gesunde X-Chromosom als Absicherung. Forscher erklären auf diese Weise, dass nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei anderen Säugetieren die Frauen länger leben. Bei anderen Tierarten, zum Beispiel bei Vögeln, hat nämlich das Männchen ein doppeltes Chromosom und lebt entsprechend länger.
Wie so oft im Leben ist es bei der Frage „Warum leben Frauen länger?“ nicht mit einer einfachen Antwort getan. Vielmehr geht es um ein Zusammenspiel aus Biologie und Lebensführung. Die gute Nachricht für alle Männer ist aber: Die Herren der Schöpfung holen auf und gewinnen durch einen immer gesünderen Lebensstil wertvolle Jahre dazu.
Längere Lebenserwartung bedeutet auch eine längere Zeit im Rentenalter. Deutlich mehr Frauen als Männer sind vom Thema Altersarmut betroffen und müssen sich in den späten Jahren finanziell stark einschränken. Damit das Ersparte auch lange reicht, müssen Frauen rechtzeitig an eine Absicherung für das Alter denken.